Hast Du schon einmal ein Stück dirigiert, das Du schon zigmal gehört hast – und plötzlich war es ein ganz anderes Werk? Willkommen in der Welt der Interpretation. Denn: Eine Partitur ist kein Museum. Sie ist ein Bauplan. Und dieser Bauplan wird jedes Mal neu errichtet – mit Dir als Architekt.
Was bedeutet dieser Tipp konkret?
„Jede Partitur wird unter neuer Leitung neu geboren.“
Dieser Gedanke verändert alles. Es bedeutet: Du bist nicht Verwalter – Du bist Schöpfer. Auch wenn es ein Klassiker ist, auch wenn der letzte Dirigent es „so gemacht hat“. Deine klanglichen Vorstellungen, Dein Tempo, Deine Artikulation, Deine Emotionen – all das fließt in die Interpretation ein und macht das Werk lebendig. Und einzigartig.
So setzt Du es als Dirigent um:
- Hinterfrage Gewohnheiten: Nur weil „es immer so gespielt wurde“, muss es nicht richtig sein.
- Beginne mit einer eigenen Klangidee: Wie fühlt sich das Stück für Dich an? Welche Geschichte willst Du erzählen?
- Lies zwischen den Notenzeilen: Dynamik, Phrasierung, Temposchwankungen – das sind nicht nur „Angaben“, sondern Ausdrucksangebote.
- Tausche Dich mit anderen aus: Was denkt der Komponist? Was hört das Publikum? Was spüren die Musiker?
- Plane bewusst Freiräume: Nicht alles muss durchgestylt sein – lass auch Raum für musikalische Spontaneität.
Was denkt das Orchester darüber?
Musiker merken, ob ein Dirigent eine Vision hat – oder nur die Taktzahlen abarbeitet. Wenn ich als Musiker spüre, dass mein Dirigent mit einem klaren inneren Bild dirigiert, spiele ich aufmerksamer, konzentrierter und kreativer. Es entsteht eine Spannung, die uns alle trägt.
Und das Publikum?
Ein inspiriert dirigiertes Stück reißt mit. Selbst bekannte Werke wie die „First Suite in Es“ oder „The Hounds of Spring“ wirken plötzlich neu. Das Publikum wird merken: Hier steht jemand, der etwas sagen will. Und genau dafür kommt man ins Konzert.
Fazit:
- 👉 Du gestaltest das Stück – nicht die Noten allein.
- 👉 Jeder Takt darf nach Dir klingen.
- 👉 Lass Mut und Musik aufeinandertreffen.
🎯 Praxisimpuls: Nimm Dir eine bekannte Partitur und markiere fünf Stellen, an denen Du bewusst eine neue Entscheidung triffst – z. B. anderes Tempo, andere Dynamik, andere Artikulation. Spüre beim Proben, wie das Stück plötzlich „deins“ wird.
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