Wie stimme ich ein Blasorchester gut ein? Soll ich als Dirigent mit dem Stimmgerät jeden einzelnen Musiker “abhören” und ihn dann durch Anweisungen “zu tief” oder “zu hoch” so lange an seinem Instrument verändern lassen, bis dieser eine Ton in genau diesem Moment auf meiner digitalen Gerätschaft korrekt angezeigt wird? NEIN !!! Auf keinen Fall sollte so das Thema “Einstimmen” oder “Intonation” in einem Blasorchester behandelt werden. Viel zu oft treffe ich bei meiner Arbeit mit Orchestern und Dirigenten aber genau auf diese sehr falsche Art. Daher nachfolgend eine Übersicht mit Ideen für ein besseres Einstimmen im Blasorchester.

Auf wieviel Hertz stimmen wir ein?

Grundsätzlich gilt die Regel “Blasorchester = 442 Hz“. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Denn sobald ein “unverstimmbares Instrument” dabei ist, muss die Regel gebrochen werden. Dies kann z.B. ein “falsches” Glockenspiel sein, das auf 440 Hz Grundstimmung gebaut ist (dito bei allen weiteren Mallets wie Xylophon, Vibraphon, Röhrenglocken,…). Achten Sie beim Kauf daher auf Mallets in 442 Hz. Aber auch bei blasorchesterfremden Instrumenten wie z.B. Kirchenorgel, Klavier,… muss man die Regel als Ausnahme behandeln.

Wer stimmt wann, wen ein?

Wir stimmen zuerst das Instrument und dann den Musiker ein! In meinen Orchestern arbeite ich mit der Grundaufgabe, dass jeder Musiker sich selbst einspielt und vor der Probe sein Instrument nach Stimmgerät selbständig auf genau 442 Hz. einstimmt. Dieses Vorgehen bedarf anfangs etwas Training, z.B. im Umgang mit dem Stimmgerät (oder heutzutage mit der passenden Stimmgerät-App), aber nach einiger Zeit ist es eine sehr gute Basis, auf der man als Dirigent dann eine bessere Stimmung und ein genaueres Einstimmen im Blasorchester erreichen kann.

Nach dieser selbständigen Basis-Einstimmung erfolgt die Detailarbeit, die durch einige Faktoren beeinflusst wird:

  • Qualität des Instruments
  • Material und Qualität von Mundstück und Blatt bzw. Rohrblatt
  • Temperatur und Luftfeuchtigkeit
  • Akustik des Raums
  • Kondition und Ansatz des Musikers
  • Gebrauch der Atemstütze

Leichter und nachhaltig besser wird es zudem, wenn sich der Musiker den Ton innerlich vorstellen kann. Die Ausbildung der inneren Tonvorstellung ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einer sauberen Intonation.

Literatur-Tipp:


Praktische Intonationslehre für Instrumentalisten (mit Übungsteil) von Doris Geller

Wie kann ein Ton verändert werden?

  • Grundsätzlich durch die Veränderung der “Baulänge des Instruments”, also durch “rausziehen” oder “reinschieben” von Stimmzügen, Mundstücken, S-Bogen,….
  • Bei den Holzblasinstrumenten kann man eine Reihe von Tönen tiefer oder höher intonieren, indem man Hilfsgriffe verwendet, Klappen oder Tonlöcher öffnet bzw. schließt oder zur Hälfte abdeckt, oder den Ansatz durch die Mundstellung mit Hilfe von “iiiiii…” oder “ooooo…” verändert.
  • Bei den Blechblasinstrumenten kann man mit Hilfe der Naturtonreihe und der notwendigen Hilfsgriffe die Töne nötigenfalls höher oder tiefer intonieren, oder ebenso durch die Veränderung der Mundstellung.

Optimale Reihenfolge für das Einstimmen im Blasorchester

Dieses nachfolgende Vorgehen wird von Alex Schillings in seinem Buch “Metafoor – Die Sprache des Dirigierens von Alex Schillings” als sog. “Stimmton-Netz” beschrieben ab Seite 262 ff.

Als erste stimmen sich alle Stimmführer / Registerführer ab. Danach stimmen sich die Instrumente nach folgendem “Stimmton-Netz” (max. je 2 Musiker spielen) ab…

Das “Stimmton-Netz” nach Alex Schillings

Die Notennamen sind transponiert notiert (!!!)

Stimmton-Netz für Holzbläser nach Modell aus Metafoor von Alex Schillings) Stimmton-Netz für Blechbläser nach Modell aus Metafoor von Alex Schillings)

  • Gruppe 1
    nacheinander: Oboe (a1) – Klarinette (h1) + Klarinette (e2 oder e1) – Oboe (a1) – Querflöte (a2) + Querflöte (d2)
    zusammen: Oboe (a1) – 2 Querflöten (a2 + d2) – 2 Klarinette (h1 + e2)
  • Gruppe 2
    nacheinander: Klarinette (h1) + Klarinette (h) – Altsaxophon (fis2) + Altsaxophon (fis1) – Tenorsaxophon (h2) + Tenorsaxophon (h1)
    zusammen: 2 Klarinetten (h1 + h) – Oboe (a1) + Englischhorn (e2) – Altsaxophone (fis2 + fis1) – Tenorsaxophone (h2 + h1)
  • Gruppe 3
    Altsaxophon (fis1) – Tenorsaxophon (h1) – Bassklarinette (h1) – Fagott (a)
  • Gruppe 4
    Fagott (a) – 2 Hörner in F (e1 + h1) – Altsaxophon (fis1) – 2 Tenorsaxophone (h1 + fis2) – Baritonsaxophon (fis2)
  • Gruppe 5 “Holz tutti”
    Das Holz spielt tutti ein klingendes a und ein d verteilt über die Holzregister.
  • Gruppe 6
    2 Hörner (e1 + h1) – Posaune (a) – Tenorhorn (h1) + Bariton (a)
  • Gruppe 7
    2 Hörner (f1 + c2) – Posaune (b) – Tenorhorn (c2) + Bariton (b1)
  • Gruppe 8
    3 Posaunen (b + f + B)
  • Gruppe 9
    Posaune (b) – 2 Trompeten (c2 + g1) – 2 Hörner (c2 + f1)
  • Gruppe 10
    Posaune (b) – Tenorhorn (c2) + Bariton (b) – Tuba (klingend B)
  • Gruppe 11
    2 Posaunen (b + f) – 2 Tenorhörner (c2 + g1) + Baritone (b + f) – Tuba (klingend B)
  • Gruppe 12
    Das Blech spielt tutti ein klingendes a und d (siehe Gruppe 6) bzw. ein klingendes b und f (siehe Gruppen 7 bis 11).

Liste mit optimalen Stimmtönen

Auf welchem Ton soll man welches Instrument einstimmen? Wissen Sie von jedem Instrument, wo dessen “Falsche Töne” liegen? Ist immer das “klingende Bb” die richtige Wahl? Hier eine kurze Liste mit optimalen Stimmtönen je Instrument:

Die Notennamen sind transponiert notiert (!!!)

  • Piccoloflöte = e2
  • Querflöte = a2 / e2
  • Oboe = a1
  • Fagott = a
  • Es-Klarinette = fis2 / fis1
  • Klarinette (in B) = h1 / e2
  • Alt-Klarinette = fis2 / fis1
  • Bass-Klarinette = b1 / b
  • Altsaxophon = fis2 / fis1
  • Tenorsaxophon = h2 / h1
  • Baritonsaxophon = fis2
  • Waldhorn (in F) = f1
  • Trompete = c2
  • Tenorhorn = c2 / c1
  • Bariton = b / B
  • Euphonium = b / B
  • Posaune = b
  • Tuba = B

Merkliste rund um “Einstimmen im Blasorchester”:

  • Der Tongeber spielt am lautesten, der Tonabnehmer leise dazu.
  • Gestopfte Blechblasinstrumente klingen fast immer zu hoch.
  • Richtige Reihenfolge beim Einstimmen mit Akkorden: 1. Grundton, 2. Quinte und dann etwas leiser 3. Terz
  • Wenn man nicht mehr weiß, wie oder wohin man korrigieren soll, zieht man den Stimmzug oder das Mundstück soweit heraus, dass man sicher zu tief ist. Dann startet man das Stimmen erneut von unten nach oben. Dies ist leichter, als das Stimmen von oben nach unten.
  • Der Musiker muss anfangs nicht hören, ob er “zu hoch” oder “zu tief” ist, aber er muss hören, ob es Schwingungen gibt.
  • Klarinetten und Saxophone werden bei einem Decrescendo höher, während das restliche Orchester eher tiefer wird.
  • Trompete: Auf einer Trompete ist das g meist sehr tief. Dagegen ist das cis1 ohne Trigger meist zu hoch, also Trigger verwenden. Das es2 ist meist zu tief und muss nach oben korrigiert werden. Das fis2 ist dagegen zu hoch und muss nach unten korrigiert werden.

Tipps & Weiterführende Links zum Thema:

Literatur-Tipps für Dirigenten & Musiker